Yogalehrer-Ausbildung im September: Wir müssen uns wundern

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In meinem Blogartikel zum August-Wochenende der Yogalehrer-Ausbildung habe ich noch lang und breit darüber geschrieben, dass ich mich für nicht besonders spirituell halte. Gut, die Chakra-Yoga-Erfahrung am Ende des Wochenendes hat diese Einschätzung direkt schon etwas zurecht gerückt. Aber nach dem letzten, dem September-Wochenende muss ich zugeben, was für einen Quatsch ich doch erzählt habe. Denn dieses Ausbildungswochenende haben wir mit Frank Schuler von Lord Vishnus Couch aus Köln, den großen indischen Göttern und jeder Menge Yoga-Philosophie verbracht – und inhaltlich hat es mich mal so richtig abgeholt.

Darum will ich den organisatorischen Rahmen auch so knapp wie möglich halten:
Der Samstag startete im Dortmunder CoolYoga-Studio mit einem ziemlichen Hammer: dem Anatomie-Test. Wie leicht oder schwer er war, mag ich noch gar nicht beurteilen – wir haben die Ergebnisse noch nicht. Damit wir die Zeit mit Frank aber so gut wie möglich nutzen konnten, fiel die Klasse an diesem Tag aus, und wir widmeten uns ganz und gar den indischen Philosophien.

Dafür hatten wir Sonntag eine ziemlich gute Masterclass mit Frank direkt zum Start in den Sonntag, den wir im Bochumer Studio verbracht habe. Danach tauchten wir dann auch direkt in die indische Götterwelt ab.

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Aber von vorne – und vorweg: Alles, was ich hier beschreibe, basiert auf dem Wissen, das Frank uns mitgegeben hat, auf Recherchen – und zuletzt auf meinem Verständnis des Ganzen. Es hat keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, schon allein deshalb, weil es im Yoga selten allgemeingültige Ansätze zu irgendetwas gibt 😉

 

Samkhya: oder das Streben nach Balance

Samkhya ist eine der sechs großen darshanas, den sechs Blickrichtungen auf den Menschen, und gehört zu den großen indischen Philosophien. Dabei beschreibt es ein dualistisches System, das nach Ausgleich und Balance strebt.
Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen: Im Samkhya unterscheidet man Purusha und Prakriti.
Purusha bedeutet dabei so viel wie die Seele, die ewig, unzerstör- und unveränderbar ist. Man könnte es als das Göttliche in uns beschreiben, das aus purem Bewusstsein besteht.

Prakriti ist im Gegensatz dazu die Materie, das Wandelbare – und das, womit wir es als Yogalehrerinnen zu tun haben. Dazu kann der Körper genauso gehören, wie Ansichten und Meinungen oder Gefühle – eben alles, was sich im Laufe eines Lebens verändern kann und manchmal auch muss.

 

Koshas – die Hüllen der Seele

Verbunden werden diese beiden Aspekte von Samkhya unter anderem im Konzept der Koshas, den fünf Hüllen, die die Seele, das Unzerstörbare, umgeben. Denn über diese Hüllen können wir im Yoga auf Prakriti, auf all das, was veränderbar ist, einwirken, und uns Purusha, dem purem Bewusstsein in uns, nähern. Ich möchte auf die Koshas an dieser Stelle gar nicht weiter eingehen. Fange ich hier an, darüber zu dozieren, sprengt das den Rahmen dieses Eh schon langen Artikels. Aber für alle, die es interessiert, es gibt jede Menge Literatur und Artikel im Netz dazu.

Spannend ist aber immer wieder, was für eine Verantwortung und Chance wir als Yogalehrerinnen doch haben. Denn alle Schülerinnen, die zu uns auf die Matte kommen, werden etwas verändern wollen: Sie möchten Rückenschmerzen vorbeugen, beweglicher, ausgeglichener oder kräftiger werden, Stress abbauen. Und wir dürfen sie bei dieser Veränderung begleiten.

 

Alles nur Illusion: das non-dualistische System Vedenta

Vedenta ist – vereinfacht gesagt – das Gegenteil von Samkhya, nämlich ein non-dualistisches System. Auch hier unterscheiden die Philosophen die Seele – Brahman – von der Materie, in diesem Fall Maya. Die Seele beschreiben sie als das einzig Reale, das Einzige, das wirklich wirklich ist. Maya dagegen ist reine Illusion und eine Erfindung des Bewusstseins.

Klingt erstmal absurd, oder? Wie kann die Materie nicht real sein, ausgerechnet das, was wir sehen und anfassen können?

Doch wenn wir genauer darüber nachdenken, ist die Welt der Materie natürlich von uns Menschen gemacht und somit erfunden – und damit sind nicht nur materielle Dinge wie Häuser, Autos und Yogapants gedacht: Gestern haben wir mit DM bezahlt, heute mit Euro. In Europa messen wir in Metern, in America in Meilen – und wer weiß, wie lange wir noch in Sommer- unter Winterzeit unterscheiden. Schauen wir uns die Welt unter diesem Blickwinkel an, merken wir, das vieles von dem, das scheinbar so unumstößlich ist, einfach irgendwann einmal von jemandem beschlossen wurde.

 

Über Vishnu, Shiva und Parvati – die großen indischen Götter

Mein Lieblingsteil des ganzen Wochenendes entlarvte dann ganz klar, dass dieses „Eigentlich bin ich gar nicht spirituell“-Gerede kompletter Blödsinn ist – und warum ich ausgerechnet die Fächerkombination Germanistik und Theologie im Studium gewählt habe. Ich finde Religionen einfach spannend. Zwar würde ich mich selbst nicht als religiös bezeichnen, ich weiß nicht mal, ob ich an den einen Gott glaube, aber ich finde es spannend, mich damit zu beschäftigen, wie Religionen entstehen, woher diese sinnigen und vor allem unsinnigen Regeln und Gebote kommen und warum ausgerechnet diese Handvoll Religionen überdauert hat.

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Und: Ich liebe Geschichten – also auch Göttergeschichten. Und genau die standen am Sonntag im Fokus. Wir haben über die drei „klassischen Götter“ Brahma, den Schöpfer, Vishnu, den Bewahrer, und Shiva, den Zerstörer gesprochen – und natürlich über ihre Frauen Sarasvati, Lakshmi und Parvati. Wir haben uns ihre verschiedenen Erscheinungsformen und Inkarnationen angeschaut und vor allen Dingen: Geschichten gehört. Wie Shiva, der Zerstörer, als Nataraja alles in Grund und Boden tanzt und so den Weg dafür ebnet, das neues entstehen kann. Wie Vishnu als Rama auf Hanuman, den Affengott und Sohn des Windgottes Vayu, trifft. Wie Parvati in ihrer Erscheinung als Kali so wütend wird, dass sie ihre Kinder trifft – was nebenbei gesagt, ein ziemlich schön-schreckliches Bild dafür ist, was mitunter so auf der Welt los ist. Immerhin ist Parvati eine der Erscheinungsformen von Mahadeva, Mutter Erde. Und die frisst ihre Kinder nun einmal auf, wenn es ihr zu bunt wird – oder schickt einen Tsunami, ein Erdbeben, ihr wisst, was ich meine.

 

Wenn wir in diese Welt eintauchen, müssen wir zulassen, ein bisschen verwirrt zu sein

Dieser Satz von Frank könnte wahrer nicht sein. Mich hat das Wochenende ein bisschen an ein Seminar aus besagtem Theologie-Studium erinnert. Es ging um Moraltheorien der verschiedenen Religionen – so ganz kriege ich das nicht mehr auf die Kette. Aber ich kann mich an das Gefühl des Irritiert-Seins erinnern. Bis zu einem gewissen Punkt fiel es mir immer leicht, Theorien und Ansätze in diesem Bereich nachzuvollziehen, aber irgendwann verlor ich mich immer. So ging es mir hier manchmal auch. Wie kann die materielle Welt eine Illusion sein, wenn ich sie doch berühren kann? Wie kann Buddha eine Inkarnation Vishnus sein – der kommt doch aus einer ganz anderen Religion. Und kommt das zeitlich eigentlich hin?

Was ich an diesem Wochenende gelernt habe: Auch dieser Aspekt des Yoga, diese historischen, spirituellen und philosophischen Hintergründe müssen nicht immer logisch erklär- und nachvollziehbar sein. Es geht viel mehr darum, sich für diese ganz andere Welt zu öffnen, das Bild zuzulassen, dass da vielleicht ein Gott mit blauer Haut darauf wartet, in seiner neunten Inkarnation die Welt zu retten. Oder dass es etwas in uns gibt, das unzerstörbar ist, egal wie sehr wir verletzt werden.

Ich finde diesen Ansatz, diese Geschichten und Theorien, mich in das, was mich interessiert, noch tiefer einzulesen, um sie in meine Klassen einzubauen, und mich über einige Dinge einfach zu wundern, ehrlich gesagt sehr schön. Ist nicht alles verstehen zu müssen, nicht auch sehr beruhigend?

Übrigens: Nicht nur die Themenauswahl an diesem Wochenende hat mich sehr glücklich gemacht. Von Beginn an, hat Frank immer wieder den Bogen zu „unserem Beruf“ geschlagen und Beispiele dafür gegeben, wie wir z. B. die Philosophien oder Göttergeschichten in unsere Yogastunden einbauen können. Vom Yoga-Lehren als unserem Beruf zu sprechen, hat mir wirklich ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert. Denn ehrlich gesagt, kann ich es kaum erwarten!

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